Frei:will:ich! Junges Engagement unter Druck
Beschluss der 96. Vollversammlung 2023
Position des Vorstandes vom 19.04.2021
30.04.2021
Kinder und Jugendliche brauchen weitere Perspektiven
Der Landesjugendring hatte im Februar in seiner Position „Kinder und Jugendliche brauchen Perspektiven – Covid-19-Stufenplan anpassen“ gefordert, informelle Begegnungsräume für Kinder und Jugendliche zu schaffen. Die Jugendverbände und Jugendringe begrüßen, dass inzwischen die geforderte Priorisierung begonnen hat und erkannt wurde, wie wichtig Jugend(verbands)arbeit und andere informelle Begegnungen für die Entwicklung von Kindern und Jugendlichen sind. Es muss vor dem Hintergrund aktueller Studien zur psychischen Gesundheit von Kindern und Jugendlichen (u.a. COPSY) gewährleistet werden, dass solche Angebote auch bei steigenden Inzidenzwerten möglich bleiben, denn sie sind notwendig für ein gesundes und gutes Aufwachsen.
Für weitere der im Februar 2021 bzw. schon im Mai 2020 eingebrachten Herausforderungen (s. https://www.ljrsh.de/assets/Uploads/200512-Positionierung-Rahmenbedingungen-der-Jugendarbeit-in-Zeiten-von-Covid-19-verbessern.pdf) fehlen nach wie vor Antworten. Mit diesem Papier möchten die Jugendverbände und Jugendringe einige davon erneut aufgreifen und konkretisieren und im Interesse von Kindern und Jugendlichen die Debatte darüber anregen, wie ihnen ein gutes Aufwachsen trotz Corona ermöglicht werden kann.
Kindern und Jugendlichen Rückhalt geben
Die weiterhin angespannte Corona-Lage erschwert die Lebensbedingungen von Kindern und Jugendlichen stark. Der Landesjugendring begrüßt die Öffnung der Schulen mit Testkonzepten, um Alternativräume zu Zuhause zu öffnen und möglichst ähnliche Lernbedingungen und Ausgangsmöglichkeiten für alle Kinder und Jugendlichen herzustellen. Der Landesjugendring begrüßt ebenfalls, dass die Wichtigkeit gesehen wird, jungen Menschen einen guten Start in Ausbildung und Berufsleben zu ermöglichen. Dazu gehört auch, dass für Auszubildende und Studierende aufgrund der Corona-Krise keine Benachteiligungen entstehen dürfen, weder in Bezug auf ihren Lebensunterhalt noch auf die Qualität ihrer Ausbildung. Es muss rechtzeitig eine ausreichende Anzahl von (ggf. außerbetrieblichen, geförderten) Ausbildungsplätzen zur Verfügung gestellt werden, um auch bei einer sinkenden Zahl betrieblicher Ausbildungsplätze allen jungen Menschen ein Angebot machen zu können.
Schule, Ausbildung und Arbeit sind unbestreitbar wichtige Voraussetzungen für ein gutes Leben. Dennoch stellen die Jugendverbände und Jugendringe weiterhin eine zu starke Fokussierung auf Kinder und Jugendliche als Schüler*innen, das Erbringen von Prüfungsleistungen und formale Abschlüsse fest. Natürlich ist es ein Recht von Schüler*innen, mit möglichst wenigen Corona-bedingten Benachteiligungen ihren Lebensweg zu gehen. Zu einer ganzheitlichen Betrachtung des Lebenswegs von Kindern und Jugendlichen gehört aber deutlich mehr als ein Schulabschluss mit möglichst guten Noten: z.B. emotionale und psychische Sicherheit, die Fähigkeit mit Ängsten und Sorgen umzugehen, das Entdecken eigener Fähigkeiten und Interessen und eine gelungene Lösung vom Elternhaus. Qualifizierung ist eben nur eine der drei Kernherausforderungen des Jugendalters, Verselbständigung und Selbstpositionierung gehören ebenso dazu (s. 15. Kinder- und Jugendbericht).
Für eine ganzheitliche Persönlichkeitsentwicklung in der Corona-Krise brauchen Kinder und Jugendliche die Unterstützung von Familie und Schule ebenso wie von Akteur*innen der Jugend(verbands)arbeit und der gleichaltrigen Peergroup. Dies gilt insbesondere für die Kinder und Jugendlichen, die auch ohne Corona besonderen Herausforderungen gegenüberstehen. Der Landesjugendring vermisst eine breite Debatte darüber, wie diese Unterstützung in und nach der Krise aussehen kann. Jugendverbände und Jugendringe halten es z.B. für wichtig, in allen Institutionen des Aufwachsens zeitliche und inhaltliche Räume und Ressourcen für die Bearbeitung der sozialen Auswirkungen der Corona-Krise auf Kinder und Jugendliche zur Verfügung zu stellen und dafür Konzepte zu entwickeln. Auch Jugendarbeit – verbandliche ebenso wie offene Jugendarbeit und Jugendsozialarbeit – muss so aufgestellt werden, dass möglichst viele Kinder und Jugendliche in und nach der Corona-Krise die Angebote wahrnehmen und in diesem geschützten Rahmen ihre Erfahrungen bearbeiten können. Jugendleiter*innen benötigen Unterstützung bei dieser wichtigen Aufgabe.
Outdoor-Angebote für alle Kinder- und Jugendgruppen möglich machen
Kinder und Jugendliche haben ein Bedürfnis nach Begegnung, Bewegung und Draußen sein. In begleiteten Angeboten der Jugendarbeit kann diesem Bedürfnis bei Einhaltung aller Hygieneregeln begegnet werden. Die aktuelle Corona-Landesverordnung bewertet Indoor- und Outdoor-Angebote der Jugendarbeit (mit Ausnahme des Jugendsports) gleich und setzt für beides sehr enge Grenzen. Dabei ist anerkannt, dass Outdoor-Angebote ein wesentlich geringeres Infektionsrisiko darstellen. Kinder- und Jugendarbeit sollte daher draußen in Gruppen bis zu 20 Personen statt aktuell bis 10 Personen stattfinden dürfen.
Jugendarbeit kann gerade in städtischen Gebieten durch die Nutzung von Grundstücken beispielsweise von Jugendverbänden, von Jugendzentren, an Gemeindehäusern, auf Zeltplätzen und Bildungsstätten sowie Jugendherbergen auch dazu beitragen, öffentliche Räume wie Parks Spielplätze oder Plätze unter Brücken zu entlasten und die Jugendlichen aufzufangen, die sich selbst in Gruppen Räume suchen.
Ehrenamt sichern und Bildungsangebote in der Jugendarbeit zulassen
Kinder- und Jugendarbeit darf aktuell in Zehnergruppen stattfinden. In den Erläuterungen zur Landesverordnung werden Bildungsangebote davon explizit ausgenommen und verboten. Dies ist unverständlich, da es sich zum Großteil um dieselbe Zielgruppe handelt (z.B. 15-16jährige, die sich zu Jugendleiter*innen ausbilden lassen) und Bildungsangeboten mit zum Teil formaleren Settings (Sitzveranstaltungen) sehr gute Voraussetzungen für die Einhaltung von Hygieneregeln bieten. Jugend(verbands)arbeit wird zum überwiegenden Teil durch Ehrenamtliche gewährleistet. Wenn diese wegfallen, kann auch keine Jugendarbeit stattfinden, mit den entsprechenden mittel- und langfristigen gesellschaftlichen Auswirkungen. Damit unterscheiden sich Bildungsangebote der Jugendarbeit deutlich von vielen Bildungsangeboten zur Freizeitgestaltung im Erwachsenenbereich. Der Landesjugendring fordert daher, das Verbot von Jugendbildungsmaßnahmen in den Erläuterungen der Corona-Landesverordnung zu streichen.
Jetzt Ferienfreizeiten in den Sommerferien absichern
Die Sommerferien in SH beginnen bereits Ende Juni. Wie sich Corona-Fallzahlen entwickeln, kann niemand vorhersehen. Anbieter*innen von Ferienfreizeiten wissen dies, sind geduldig und warten bis zum letzten Moment, um Kindern und Jugendlichen Ferienerholung zu ermöglichen. Dazu benötigen sie Unterstützung, die ihnen aktuell nicht gegeben wird: Sie benötigen mögliche Szenarien, unter welchen Bedingungen/Inzidenzwerten welche Vorgaben bezüglich Gruppengröße, Hygieneregeln, Übernachtung usw. getroffen werden könnten. Dies entspricht der Herangehensweise des Landes für andere Bereiche, die in den Stufenplan aufgenommen wurden. Die Zeit drängt – im April, zwei Monate vor den Ferien, werden die letzten Entscheidungen, ob Ferienfreizeiten abgesagt werden, getroffen. Auch für Tagesangebote braucht es bereits jetzt Regelungen, damit Ferienaktivitäten (z.B. Ferienpass) ausgeschrieben werden können. Der Landesjugendring bringt sich gern kurzfristig in die Erarbeitung ein.
Auch Möglichkeiten für Testungen von Kohorten in Ferienfreizeiten müssen geprüft werden. Gruppen, die über mehrere Tage stabil bleiben, bieten hierfür ideale Voraussetzungen. Dies könnte als Teil der Modellmaßnahmen z.B. über Himmelfahrt erprobt werden (z.B. Jugendunterkünfte im Tourismus, Maßnahmen der Sportjugend im Rahmen der Modellprojekte Tourismus und Sport).
Tests für die Jugendarbeit zur Verfügung stellen
Schnelltests müssen auch in der Jugendarbeit Standard werden, für ehrenamtliche Jugendleiter*innen auf Ferienfreizeiten ebenso wie für hauptamtliche Mitarbeiter*innen in Jugendzentren. Dazu müssen auch der Jugendarbeit kostenfreie Schnelltests zur Verfügung gestellt werden.
Gemeinnützige Jugendfreizeit- und -bildungsstätten erhalten
Jugendunterkünfte, Jugendbildungsstätten, feste Zeltlager, Jugendbildungsschiffe etc. stehen durch das Beherbergungsverbot und den Ausfall von Klassenfahrten und anderen Gruppenreisen unter Druck. Förderprogramme konnten bereits helfen, sind aber weiterhin nicht ausreichend, so dass die für die Jugendarbeit notwendige Infrastruktur stark gefährdet ist. Konkret bedeutet dies:
Jugendbeteiligung sicherstellen
Der Landesjugendring hat bereits mehrfach darauf hingewiesen, dass Kinder und Jugendliche und ihre Vertretungen auf allen Ebenen besser an den sie betreffenden Entscheidungen beteiligt werden müssen. Sie fühlen sich immer noch zu wenig gehört und berücksichtigt. Gerade Jugendliche werden bisher aufgrund ihres geringeren Betreuungsbedarfes häufig aus dem Blick verloren. Auf Landesebene gibt es dazu nun nach einem Jahr Corona erste Ansätze in Anhörungen im Landtag und im Sozialausschuss. Die Jugendverbände und -ringe schlagen weiterhin vor:
Der Landesjugendring ist gern bereit, die inhaltliche und organisatorische Umsetzung der vorgeschlagenen Maßnahmen zu unterstützen.
Beschluss der 96. Vollversammlung 2023
Beschluss der 96. Vollversammlung 2023
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